dialogP an der Domschule

Landtagsabgeordnete aus Kiel auf Besuch an der Domschule am 4. März 2025

Es gibt so viele Klischees über die Jugendlichen, die 15, 16 und 17-Jährigen, von denen es entweder heißt, sie seien schlecht informiert oder viel zu aktivistisch. Sie seien nur noch am Daddeln oder nur noch auf der Straße. Fortnite Kids oder Klimakleber. Aber die Sache ist doch: Das einzige Extrem, das ihnen gerecht wird, sind die extremen Zeiten, in denen sie groß werden. Corona, der Krieg in der Ukraine, schmelzende Gletscher und bröckelnde Weltordnung. Als politisch Dauerverwöhnter Boomer der Neunziger reibt man sich nur noch die Augen.

Und dann wählen die Jungen auch noch anders, als die Alten es von ihnen erwarten. Wählen entweder zu rechts, wie bei der Europawahl im Juni 2024, oder zu links, wie jetzt. 25 Prozent der 18- bis 24-Jährigen machten ihr Kreuz zur Bundestagswahl bei der Linken. Seit Tagen ist da die Frage: Was haben die Jungen jetzt schon wieder?“ (aus: Die Seite Drei, Süddeutsche Zeitung vom 1. März 2025)

Diese Analyse der Süddeutschen Zeitung zum Wahlverhalten der Jungen in Deutschland spiegelt sich auch im Ergebnis der Junior-Wahl der Domschule wider: Die Parteien der bürgerlichen Mitte haben die Quittung bekommen und dümpeln bei 17% (CDU) und 13% (SPD) der Stimmen herum. Noch härter traf es FDP und Grüne: nach dem Erfolg bei der 2021er Bundestagswahl sind sie auf 6% (FDP) beziehungsweise 11% (Grüne) der Zeitstimmen abgestürzt, während die Linke als strahlende Siegerin mit 40% glänzen konnte. Zumindest die AfD hatte mit 6% bei den Jungen an der Domschule keine Chance.

Das Wahlergebnis zeigt: Wer die jungen Menschen und ihre Anliegen nicht ernst nimmt, treibt sie an die Ränder des politischen Spektrums. Im WiPo-Unterricht zeigt sich uns als Lehrkräften immer wieder: es sind nicht nur die geschickten Social-Media-Strategien von AfD und Linken, denen die Jungen verfallen sind. Dieser jungen Generation geht es sehr wohl um Inhalte, sie ist nicht entpolitisiert, sondern politisch emotionalisiert.

Hier setzt das Projekt Dialog-P an, in dem es Schülerinnen und Schüler befähigen möchte, an der Gestaltung ihres Umfeldes mitzuwirken, in dem sie mit Abgeordneten aus dem Kieler Landesparlament über Themen im Dialog diskutieren, die sie interessieren und persönlich betreffen. Nach einer Vorauslese im WiPo-Unterricht ergaben sich folgende Themen: Bildung, Migration, Innere und Äußere Sicherheit, Klimapolitik und Wirtschaft.

Am 4. März war es dann soweit: 75 Schülerinnen und Schüler des 11. Jahrgangs trafen in der Aula der Domschule auf vier Abgeordnete der im Landtag vertretenen Parteien: Birte Pauls (SPD), Thomas Jepsen (CDU), Silke Backsen (Bündnis 90/ Die Grünen) und Anne Riecke (FDP), Christian Dirschauer vom SSW musste leider wegen einer Fraktionssitzung seiner Partei absagen.

In vier Runden zu jeweils 25 Minuten rotierten dann die Politikerinnen und Politiker und stellten sich den Fragen der Jugendlichen an den Thementischen. Dabei zeigten alle Beteiligten ein hohes Maß an Diskutierfreude und ernsthaftem Willen einander zuzuhören und die angesprochenen Probleme lösungsorientiert zu diskutieren. Die Atmosphäre war konzentriert und dennoch locker, auch weil die Abgeordneten und die jungen Menschen sichtlich Freude daran hatten, einander zuzuhören und inhaltlich auszutauschen. Fast schien es, als seien die Smartphones mit ihren Bubbles der Social Media für ganze zwei Stunden aus der analogen Welt der Aula verbannt – bis am Ende der Veranstaltung wieder die Handys für Selfies gezückt wurden. Und vielleicht konnten die Parteien der bürgerlichen Mitte ja auch den einen oder anderen Punkt bei den Jugendlichen machen! Jungwähler sind volatil, sonst wären sie nicht jung. Noch sind sie nicht zwingend an die politischen Extremisten verloren.

Werner Dawid

WiPo-Lehrer Werner David mit den Abgeordneten Birte Pauls (SPD), Silke Backsen (Bündnis 90-Die Grünen), Anne Röcke (FDP) und Thomas Jepsen (CDU)

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